Engagement des Monats - Richard Raphael
Welche Ehrenämter üben Sie aus und wie sind Sie dazu gekommen?
Während meines Studiums in Wirtschaft und Ingenieurwesen an der Universität in Braunschweig bin ich einer studentischen Vereinigung beigetreten. Dort war ich 35 Jahre lang ehrenamtlich aktiv und habe bis 2015 das Vereins- und Wohnhaus verwaltet.
Nach meinem Studium bin ich nach Hordorf in Cremlingen gezogen, wo ich dann 1987 dem gemischten Chor beigetreten bin und im Tenor und Bass gesungen haben. Bis heute engagiere ich mich ehrenamtlich im Chor als Kassenwart und beschäftige mich mit der gesamten Musiktechnik des Chores. Als Kassenwart bin ich verantwortlich für die Mitgliedsbeiträge, die Fördermittelakquise sowie die allgemeine Chorverwaltung. Für diese Arbeitsbereiche konnte ich in meinem hauptamtlichen Beruf bei Volkswagen bis zur Rente bereits jahrelang Erfahrung sammeln. Mit der Musiktechnik beschäftige ich mich eher hobbymäßig, da es mir sehr viel Freude macht. Ich erstelle zum Beispiel digitale Aufnahmen von Chorauftritten und Übungsstücken für alle Mitglieder. Außerdem bin ich gemeinsam mit meiner Frau Helga Raphael in die Konzertplanung eingebunden. Wir planen auch für den Chor Fortbildungen für zum Beispiel die Stimmbildung, um die Singfähigkeit der Chormitglieder zu fördern. Meine Frau engagiert sich auch seit 1996 ehrenamtlich als Vorstand des Chores in Hordorf und bei uns beiden steht die Freude am Singen und die Qualität des Singens im Vordergrund.
Seit 2013 engagiere ich mich ehrenamtlich im Vorstand sowie als Kassenwart des Chorbezirkes Wolfenbüttel im Niedersächsischen Chorverband (NC).
Die einzelnen Chorbezirke des NCs wurden 2015 zu den 4 Chorregionen NORD, SÜD, WEST und OST zusammengeführt. Seitdem zählt Wolfenbüttel zu der Chorregion OST, für die ich seit 2017 ehrenamtlich die Teamleitung übernehme. Zu meinen Aufgaben zählen die Verwaltung, die Ehrung von langjährigen Mitgliedern sowie die Planung von Konzerten und Fort- und Weiterbildungen für die Chöre. Ich bin sozusagen die Schnittstelle zwischen dem Niedersächsischen Chorverband und den Chören.
Ich engagiere mich aber auch ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit. Als 2015 sehr viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, fand bei uns im Ort eine Versammlung zur Lage der Geflüchteten in Hordorf statt. Aus dieser Versammlung entwickelte sich ein Helferkreis aus Ehrenamtlichen, die Deutschunterricht und Beratungstätigkeiten für die Geflüchteten anboten. 2016 ist auch eine irakische Familie auf das Nachbargrundstück gezogen, der meine Frau und ich bis heute zur Seite stehen - sie zählen für uns zur Familie! Beispielsweise haben wir die Familie während der Coronazeit beim Homeschooling unterstützt. Momentan bieten wir im Helferkreis auch allen Geflüchteten aus der Ukraine sehr viel Hilfe an.
Generell wäre meine gesamte ehrenamtliche Arbeit ohne meine Ehefrau nicht möglich gewesen, weshalb ich sehr oft von „wir“ und „uns“ spreche. Sie engagiert sich auch sehr viel ehrenamtlich.
Nachdem wir sehr viel über den Chor gesprochen haben, frage ich mich, wie Sie eigentlich zum Singen gekommen sind und warum Sie sich ehrenamtlich engagieren?
Ich habe in meiner Schulzeit mit dem Singen im Schulchor angefangen, da vielen Lehrer*innen aufgefallen ist, dass ich eine gute Singstimme habe. Nach meiner Schulzeit habe ich mir bewusst viele Jahre lang eine Pause vom Singen genommen. Aber als ich Jahre später nach Hordorf gezogen bin, verbrachte ich anfangs sehr viel Zeit mit Gartenarbeit. Während der Gartenarbeit wurde ich von zwei älteren Herren nach mehrmaligem Fragen überredet, dem Chor in Hordorf beizutreten.
Mir macht es auch bis heute sehr viel Spaß und es gefällt mir Teil eines großen Ganzen zu sein. Außerdem lernt man immer wieder neue Menschen kennen, was ich toll finde.
Generell ist die ehrenamtliche Arbeit für meine Frau und mich sehr erfüllend und wir haben das Gefühl einen guten Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Ehrenamtliche Arbeit gehört auch prinzipiell zu unserer Wertvorstellung.
Jeder sollte sich ehrenamtlich engagieren!
Welche Veranstaltung oder Konzerte haben Sie für dieses Jahr geplant?
Unser gemischter Chor in Hordorf ist vor zwei Jahren 40 Jahre alt geworden. Leider mussten die Jubiläumsfeier und das Jubiläumskonzert aufgrund von Corona ausfallen, weshalb am 7. Mai 2022 unser Jubiläumskonzert unter dem Motto „Thank you for the music“ im Dorfgemeinschaftshaus in Hordorf stattgefunden hat. Die 40. Jubiläumsfeier unseres Chores wurde auch im Juni 2022 nachgeholt.
In den Jahren vor Corona hat die Chorregion OST, insbesondere der Chorbereich Wolfenbüttel, das jährliche Schlosshofsingen als unsere Teilnahme am Wolfenbütteler KulturSommer geplant. Dabei haben mehrere Chöre aus dem Landkreis Wolfenbüttel Lieder aus aller Welt gesungen und im Anschluss gemeinsam mit einigen Zuschauer*innen weitergesungen. Leider findet das Schlosshofsingen in diesem Jahr nicht statt. Deshalb wollen wir uns auf das Adventskonzert fokussieren, das am 25. November 2022 in der St. Trinitatis Kirche in Wolfenbüttel stattfindet. Es werden viele Chöre aus der Region auftreten.
Außerdem wurde am 19. Juni 2022 im Städtischen Museum Schloss Salder in Salzgitter der 2. Tag des Singens veranstaltet, der von der Singenden Landschaft geplant wurde. Von März bis Juni 2022 gab es zahlreiche Workshops zum Singen sowie offene Singen, bei dem ich auch einen Workshop betreut habe und nach Dozierenden für die Workshops gesucht habe. Am 19. Juni gab es verschiedene Workshops, offene Singen, die Projektchöre, die sich in der Workshop-Phase gebildet haben, haben gesungen und es wurde über alles rund um das Thema Singen informiert. Generell kann man sagen, dass das Projekt Anfänger*innen und Spezialist*innen zusammenbringt, um sich im Bereich Musik weiterzubilden.
Viele Veranstaltungen konnten auch durch die langanhaltende Coronakrise nicht stattfinden, da eine Vielzahl an Mitgliedern aus den Chören ausgetreten sind und die Chöre daher erst wieder neu zueinander finden müssen.
Was ist die Singende Landschaft und wie ist sie entstanden?
Die Singende Landschaft ist ein Projekt zur Förderung des Singens im Braunschweiger Land. Das Projekt wurde vor allem durch die Zusammenarbeit zwischen den Chorverbänden, Frau Fischer (ehemalige Leitung der Abteilung Kultur und Medien) und unserer Landrätin Frau Steinbrügge vorangebracht. Es gab sehr viele Treffen zwischen allen musikalischen Institutionen aus der Umgebung wie beispielsweise die Musikschule. Weil das Projekt sehr viel Zeit für alle Beteiligten in Anspruch nahm, übernahm die Braunschweigische Landschaft die Projektleitung für die Singende Landschaft. So wurde durch die Unterstützung zahlreicher Projektträger, aber auch dem Landkreis Wolfenbüttel der 1. Tag des Singens 2019 in Lucklum veranstaltet.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Ehrenamtes bzw. der Chöre?
Wir haben das Gefühl, dass die ehrenamtliche Arbeit für einige Personen selbstverständlich geworden ist. Deshalb wünschen wir uns, dass ehrenamtliche Tätigkeit mehr wertgeschätzt wird. Wir würden es auch begrüßen, wenn sich aus der Bevölkerung mehr Menschen ehrenamtlich beteiligen würden, um der Gesellschaft etwas zurück zu geben. Es sollten sich nicht nur mehr Menschen kurzweilig ehrenamtlich engagieren, sondern diese Hilfsbereitschaft soll auch langanhaltend sein, um mehr bewirken zu können.
Generell wünschen wir uns eine Einstellungsänderung der Gesellschaft gegenüber des Ehrenamtes. Zudem ist in vielen Chören der Altersdurchschnitt leider sehr hoch, weshalb ich mir erhoffe, dass sowohl mehr junge Menschen den Chören beitreten oder als Chorleiter*in agieren. Aber es wäre auch schön, wenn mehr junge Menschen sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren. Sie können zum Beispiel bei der Umsetzung von Konzerten unterstützen. Ich würde mir auch wünschen, dass die Leitungsebene vieler Chöre ihre alten Konzepte und Denkweisen erneuern, um mehr Schwung in die Chorlandschaft zu bekommen. Beispielsweise könnten auch modernere Lieder in den Chören gesungen werden.
Das Gespräch führte Rachel Kohl.