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Datum: 25.07.2022

Engagement des Monats - VELOWORX - die Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt des ADFC Wolfenbüttel e.V.

Heute, wie an jedem ersten und dritten Mittwoch des Monats, ist die Fahrrad-Reparaturwerkstatt in der Auguststadt offen. Ich treffe mich mit Jürgen Hartmann, der das Projekt ins Leben gerufen hat. Der starke Regen hat nachgelassen, Besucher*innen kommen nach und nach. Ein Junge im Grundschulalter braucht Hilfe beim Reparieren eines platten Reifen. Seine Mutter fragt, ob sie auch ein Fahrrad kaufen kann. Sie hat in einem Projekt für Migrantinnen vom benachbarten Salawo Bürgertreff hier auf dem Hof Fahrradfahren gelernt. Ein Senior braucht Unterstützung, um sein Fahrrad für die anstehende Fahrradtour fit zu machen. Während wir uns locker unterhalten, sucht Jürgen Werkzeug aus, berät, überprüft. Bald kommt ein Werkstattkollege, der einen Teil der Beratungen übernimmt.

Wie kamst du zu der Idee der Fahrrad-Reparaturwerkstatt?

Die Idee vom Reparieren beschäftigt mich schon lange. 2014 bin ich in vorgezogene Rente gegangen und suchte eine neue, erfüllende Beschäftigung. In der Zeitung las ich einen Artikel zum Thema "Repair Café", eine in Holland entstandene Idee. Ich bin Entwicklungsingenieur für Funktechnik. Meine Frau sagte zu mir: "Das kannst du auch!" So fing es an. Das Projekt durchlief mehrere Etappen.

Wie entwickelte sich das Projekt?

Zunächst suchte ich Partner*innen und ging auf Frau Hunke von der Freiwilligenagentur (fa) zu. Zwei Jahre lang konnten wir im Treffpunkt C83 in der Cranachstraße ein "Repair Café" anbieten. Beim ersten Treffen waren wir zu fünft, dazu kamen drei "Repariergäste" und zwei Pressevertreter*innen. Dank dem anschließenden Artikel in der Zeitung kamen die Woche darauf 30 Leute! Es pendelte sich nach einer Weile ein auf regelmäßig kommende 8 bis 9 Senior*innen. Im Café reparierten wir Nähmaschinen und diverse Kleingeräte. Auch Laserdrucker wurden gebracht, aber diese sind leider nicht zum Reparieren gedacht. So funktioniert Konsum. Ein Höhepunkt war eine schöne elektrische Eisenbahn, die wir wieder zum Laufen bringen konnten.
Mich beschäftigte von Anfang an die Idee, Fahrräder zu reparieren, das konnten wir in den Räumlichkeiten aber nicht. So ging die Suche weiter.

Durch einen Kontakt mit dem damaligen Direktor der Carl-Gotthard-Langhans-Schule (CGLS), der von der Idee begeistert war, konnten wir 2016 in einen Kellerraum der Schule einziehen, der für die Werkstatt freigeräumt wurde.
Die Nachfrage nach preiswerten Fahrrädern und nach der Möglichkeit einer Reparatur war damals sehr hoch insbesondere unter den Geflüchteten aus Syrien.
So entstand die Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt VELOWORX.

2017 wurde VELOWORX zum festen Angebot des ADFC Wolfenbüttel e.V. (Allgemeiner Fahrradclub). Die Reparatur fand beim Z/U/M statt (Zentrum für Umwelt und Mobilität e.V., ein Dachverein für mehrere Vereine, darunter der ADFC e.V.), der zu der Zeit noch am Stadtmarkt war. Es kamen regelmäßig 10 bis 15 Repariergäste. Allerdings war der Platz auf dem Hof etwas eng.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bot mittlerweile Geflüchteten kostenlose Fahrräder an. So entstand die Vereinbarung, dass das DRK dieses Angebot aufrechterhält, aber VELOWORX dafür die Möglichkeit der Reparatur und der Instandhaltung anbieten sollte. In begrenztem Rahmen gab es ab dann auch die Möglichkeit, ein gebrauchtes Fahrrad bei VELOWORX für wenig Geld zu kaufen. Zuwendungen für die Werkstatt erhielt auch VELOWORX aus der Flüchtlingsförderung des Landes.

2019 zog VELOWORX in die Auguststadt zusammen mit dem „Repair Café“, das nun ein Angebot des Stadtteiltreffs vom Landkreis Wolfenbüttel ist und in einem anderen Raum stattfindet. Hier hat die Fahrradreparaturwerkstatt endlich viel Platz und kann in Eigenregie geführt werden.

Wie ist VELOWORX aufgebaut und was passiert da genau?

Das „Repair Café“ und somit auch VELOWORX sind als Angebot des Stadtteiltreffs versichert, was uns sehr entgegenkommt. Ansonsten haben wir eine ehrenamtliche Struktur. Unsere Ehrenamtlichen sind als Mitglieder des ADFC Wolfenbüttel e.V. unfallversichert. Der Verein zahlt eine symbolische Miete für den Werkstattraum, den wir vom Stadtteiltreff zur Verfügung gestellt bekommen und in Eigenregie entrümpelt, gestrichen und ausgestattet haben. Die Werkstatt öffnen wir jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat von 15 bis 18 Uhr. Im Hinterhof des ehemaligen Waisenhauses ist viel Platz zum Werkeln, geschützt Fahrradfahrüben, Ausprobieren. Ein Keller steht uns auch zur Verfügung, in dem wir Fahrräder und Ersatzteile lagern können. Gebrauchte Fahrräder aus Spenden und vom Fundbüro werden für wenig Geld verkauft (20 Euro für einfache Modelle, 60-80 Euro für bessere Fahrräder). Zubehör haben wir natürlich auch: Körbe, Pumpen usw. Wir finanzieren die Nebenkosten der Werkstatt sowie die Verschleißteile durch eine Werkstattpauschale von 3 Euro pro Besuch. Für Jugendliche und ADFC-Mitglieder ist der Besuch der Werkstatt kostenlos. Wir sind bis zu 5 Ehrenamtliche im Team.

Wer kommt zur Fahrrad-Reparaturwerkstatt?

Pro Besuch kommen bis zu 15 Personen, darunter viele Migrant*innen und Geflüchtete. Es sind Eltern, die mit ihren Kindern im Grundschulalter ein Fahrrad für das Fahrradtraining an der Schule suchen, ältere Menschen, die entweder wegen der Reparatur kommen, oder um ihr altes Fahrrad als Spende abzugeben, wenn sie auf E-Bike umgestellt haben, und viele mehr.

Was schätzt du am Ehrenamt?

Es ist schön, mit so vielen unterschiedlichen Menschen zusammenzukommen. Am selben Ziel zu arbeiten, an derselben Sache zu basteln und dabei Spaß zu haben.

Was hast du dir für die Zukunft vorgenommen?

Wir planen einen Reparaturkurs (nicht nur von Fahrrädern) für Frauen. Einen solchen Kurs hatten wir schon mal im Z/U/M angeboten und wollen es wieder tun, da die Nachfrage groß ist.

Auch ein Flohmarkt mit Fahrrädern und reparierten Kleingeräten schwebt mir vor. Hier im Hof ist der Platz dafür ideal.

Ansonsten stehe ich im Gespräch mit Ute Klinge von der Evangelischen Familienbildungsstätte (EFB) für einen In-House-Kurs zu Reparatur von E-Geräten und Haushaltsgeräten.

Die Ideen sind zahlreich. Und wir freuen uns immer über Menschen, die mitmachen wollen.

Das Gespräch führte Ghalia El Boustami