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Datum: 02.12.2021

Rolf Jürgens - Naturschützer der ersten Stunde

Seit über 50 Jahren kämpft Rolf Jürgens für den Natur-, Arten- und Umweltschutz, sowie für die Lebensraumerhaltung. Ein Gespräch mit dem 81-jährigen Schöppenstedter, der neben zahlreichen Ehrungen 2008 das Verdienstkreuz am Bande erhielt und weiterhin für die Natur kämpft.

Wie kamen Sie zu Ihrem Ehrenamt?

Als junger Hobby-Ornithologe bemerkte ich, wie die Brachvögel der Schöppenstedter Teiche auf einmal weniger wurden. Die zahlreichen Watvögel wie zum Beispiel die Strandläufer, die als Zugvögel an den Teichen früher auf ihrem langen Weg nach Süden Halt gemacht hatten, kamen nicht mehr.

Auch in der Landwirtschaft lag Vieles im Argen. Da fing ich an, aktiv für die Natur zu werden. Ich erhielt viele Drohbriefe.

Die Liste Ihrer Erfolge im Bereich Umweltschutz ist lang und jedes einzelne Projekt ist wertvoll. Können Sie eins der wichtigsten für Sie schildern?

Die Renaturierung der Zuckerfabrikklärteiche der Zuckerfabrik Schöppenstedt war ein ganz besonderes Projekt, an dem viele Menschen beteiligt waren. Heute ist das das wunderschöne Wasservogelreservat Schöppenstedter Teiche. Als 1991 die Fabrik stillgelegt wurde, hatte ich mich schon bemüht, die Teiche zu retten. Erst 1995 kam das Projekt richtig in Gang. Zahlreiche Spenden wurden gesammelt, von den NABU-Gruppen Wolfenbüttel, Braunschweig und Schöppenstedt, sowie von Bürger*innen und Geschäftsinhaber*innen. Auch die Stadt beteiligte sich finanziell, zudem wurden Landwirte entschädigt. Durch ein ausgeklügeltes Konzept konnte ein Zwischenrohr der Schöppenstedter Kläranlage mit geklärtem Wasser in die Teiche gelenkt werden, statt in die Altenau zu fließen. Mit der tatkräftigen Unterstützung vieler Ehrenamtlichen über drei Jahre konnten 1997/98 die Teiche eröffnet werden. Jetzt sind sie ein Raum für alle Vogelarten.

Generell habe ich mich für den Erhalt von Feuchtgebieten eingesetzt, da sie - wie überall -auch hier zerstört wurden. Vögel wie der Rohrsänger z.B. finden keinen Platz mehr, auch die besondere Vegetation und die dort lebenden Amphibien verschwinden. So habe ich mich dafür eingesetzt, dass etliche Naturschutzgebiete (NSG), wie die Barnstorfer Salzwiese und Landschaftsschutzgebiete (LSG), wie die Teichwiese Barnstorf und die Große Wiese Warle in Schöppenstedt entstehen konnten. Mein Dank gilt hier den zahlreichen Ehrenamtlichen vom NABU Schöppenstedt, die eine großartige Arbeit geleistet haben und ohne die Vieles nicht möglich gewesen wäre. Auch meiner Frau Christa, die selbst seit 40 Jahren beim NABU aktiv ist und mich in allem unterstützt, gilt mein Dank.

Sie haben viel dazu beigetragen, dass NABU-Gruppen vielerorts entstanden. Können Sie das näher schildern?

In den 60er Jahren leitete der bekannte Ornithologe Dr. Rudolf Berndt den Deutschen Bund für Vogelschutz (DBV) in Braunschweig. Es war eine sehr besondere Stimmung, man traf sich alle 14 Tage, bei Wind und Wetter fuhr ich nach Braunschweig. Der Saal war voll! Ich leitete das Biotopschutz-Komitee. Durch dieses entstanden zahlreiche neue Gruppen des späteren NABU für den ganzen Großraum Braunschweig: Peine, Salzgitter, Schladen, Bad Harzburg bis nach Sachsen-Anhalt, was damals nur begrenzt möglich war, da in der ehemaligen DDR. Durch diese Gruppen entstanden viele Initiativen und viele neue Landschaftsschutzgebiete, wie zum Beispiel in Bad Harzburg der Landberg, der eine außergewöhnliche botanische Vielfalt bietet.

Was wäre Ihr Wunsch für die Zukunft?

Wir sind auf einem guten Weg, viele Gebiete konnten geschützt werden, immer mehr Menschen werden für den Schutz der Natur sensibilisiert. Was ich mir aber unbedingt wünsche, ist das Verschwinden der Schottergärten! Die Menschen müssen verstehen, dass diese grässlich aussehenden Flächen vor allem eine Katastrophe für die Natur sind. Sie bieten keinerlei Möglichkeit, für Insekten sich anzusiedeln und ihre Nahrung zu finden, ein ganz wichtiger Punkt heute. Der Betonierung im eigenen Garten soll ein Ende gemacht werden!

Auf der Sonnenseite gibt es eine freudige Nachricht: eine NAJU-Gruppe wurde mit 19 Kindern ganz aktuell gegründet! Sie wird von Frau Gabriele Darley, Waldkindergärtnerin im Ruhestand und 2 Mitarbeiter*innen geleitet. Dass es für diese Gruppe so viel Interesse gibt (es gibt eine Warteliste), stimmt mich zuversichtlich. Kinder wollen die Natur erleben, kennenlernen und schützen. Es ist so wichtig, die heranwachsenden Generationen an die Natur heranzuführen!

Erzählen Sie uns von einem besonderen Moment für Sie in der Natur

Einmal ist am Feldrand direkt vor mir eine Waldschnepfe aufgeflogen, ich hätte sie greifen können. In den Fängen hielt sie ihre Jungen. Ein unvergesslicher Moment.

Oder dieser Moment, als ich unerwartet vor mir ein kleines Rehkitz erblickte, das seine weit geöffneten Augen auf mich richtete. In solchen Augenblicken wusste ich, wofür ich kämpfe.

Das Gespräch führte Ghalia El Boustami.